Menschen

22.03.2024 | Aktualisiert am 07.08.2024 | Lesezeit: 5min

Humanitärer Einsatz für frisches Wasser in Uganda

Claudio Ganassi, Leiter Trinkwasser bei ewl, verbrachte knapp zwei Monate in Uganda, um seine Erfahrung bei einem Hilfsprojekt einzusetzen. Dabei sind ihm das Land und die Menschen ans Herz gewachsen. Ganz ohne Kulturschock verlief der Einsatz jedoch nicht.

  • Text Ismail Osman
  • Bilder Claudio Ganassi Leiter Betrieb Trinkwasser

Das Glas unter den Wasserhahn halten und frisches Trinkwasser einfüllen – für uns eine Selbstverständlichkeit. Dass das nicht überall so ist, ist kaum jemandem so bewusst, wie Claudio Ganassi. Der 48-jährige Luzerner ist seit 13 Jahren Leiter Trinkwasser bei ewl energie wasser luzern und kennt den Wert von frischem Trinkwasser bestens.

Die Idee, sein Wissen und seine Erfahrung für einen humanitären Einsatz im Ausland einzusetzen, sei in den vergangenen Jahren immer wieder mal aufgekommen – beispielsweise nach Erdbeben oder anderen Naturereignissen. Da solche kurzfristigen Einsätze mit seiner Funktion bei ewl nicht vereinbar sind, suchte Ganassi nach einer Alternative – und fand diese in Form einer Auszeit. Vergangenes Jahr verbrachte er rund zwei Monate im ostafrikanischen Uganda. Im ländlich geprägten Mmanze-Distrikt nördlich der Hauptstadt Kampala beteiligte er sich an einem Projekt, bei dem das Trinkwassernetzwerk zwischen einem zentralen Pumpwerk und mehreren kleinen Siedlungen ausgebaut wurde.

Mental versuchte Claudio Ganassi sich möglichst gut auf den Aufenthalt vorzubereiten. «Es gab aber schon Momente, in denen ich leer schlucken musste», gesteht er rückblickend. Und das schon, bevor die Reise überhaupt startete. «Ich habe zwei Söhne im Teenageralter. Als der Abreisetermin näher rückte, wurde mir immer bewusster, dass ich noch nie so lange von ihnen und meiner Frau getrennt war.»

Ich war mir nicht sicher, ob ich das tatsächlich durchziehen kann.
Claudio Ganassi
Leiter Betrieb Trinkwasser

Der ganz normale Kulturschock

Den zweiten Moment könnte man als typischen Kulturschock umschreiben. Im ländlichen Uganda angekommen, wurde Ganassi schnell klar, wie einfach die Lebensverhältnisse vor Ort sind. Der Gast aus Luzern wurde bei einer alleinstehenden Mutter mit fünf Kindern untergebracht. «Mein Zimmer bestand aus einem Bett mit Moskitonetz. Mehr war da nicht. Kein Stuhl, kein Gestell, kein Fenster, kein fliessendes Wasser.» Als Boden diente eine Plastikplane, für Privatsphäre sorgte eine dünne Wellenblechtüre.

Spätestens beim ersten Latrinengang komme man als «sanitärverwöhnter» Schweizer ins Straucheln. «Ich telefonierte nachhause und war mir wirklich nicht sicher, ob ich das tatsächlich durchziehen kann», gibt Ganassi zu. «Doch nach drei, vier Tagen konnte ich das Leben in Uganda plötzlich so annehmen, wie es halt ist.»  

Wasser für einen ganzen Bezirk

Die eigentliche Arbeit vor Ort bestand darin, das Potenzial eines kleinen Pumpwerks besser zu nutzen. «Das Pumpwerk wurde vor rund 10 Jahren erbaut und liefert eine vergleichsweise gute Wasserqualität.» Bisher wurde das gewonnene Wasser an zwei einfache Tankanlagen befördert, die sich im Umkreis einiger Kilometer in kleinen Weilern befinden. Das Problem: «Die Pumpanlage ist solarbetrieben und fördert an sonnigen Tagen wesentlich mehr Wasser, als die zwei Tankanlagen fassen können», erklärt Ganassi. Das resultierte bisher darin, dass die beiden Tanks in den Siedlungen regelmässig überliefen. Um dieses Problem zu lösen und gleichzeitig das Potenzial der Pumpanlage besser zu nutzen, sollen künftig weitere Siedlungen in der Gegend mit Trinkwasser aus dem Pumpwerk versorgt werden.

Was die Menschen ausmacht, ist ihr Blick fürs Wesentliche.

Soviel zur Theorie. In der Praxis bedeutet dies, dass Fundamente gelegt, kleine Tanktürme aufgestellt und jede Menge Rohre verlegt werden mussten. Um das lokale Trinkwassersystem zu realisieren, beschäftigte die Non-Profit-Organisation Mmanze Center for Rural Development and Training (MACERUDET) nebst dem Wasserexperten Claudio Ganassi in erster Linie lokale Mitarbeiter. «Meine Expertise bei der Planung von Wassersystemen war zwar hin und wieder gefragt, in erster Linie war es jedoch körperliche Arbeit», erzählt Ganassi. Ein markanter Unterschied zu seiner Funktion bei ewl, wo vom Leiter Trinkwasser in erster Linie viel Projektierungs- und Koordinationsarbeit gefragt ist. Für Claudio Ganassi aber eine willkommene Abwechslung: «Es tat gut, den Kopf zu leeren und mit den Händen etwas Positives zu erschaffen.»

Ein prägendes Erlebnis

Fast zwei Monate verbrachte Claudio Ganassi letztendlich in Uganda. Was bleibt aus dieser Zeit und von dieser Erfahrung? Es ist keine Frage, bei der er lange in sich gehen muss – die Antwort ist für ihn glasklar: «Es sind die vielen Begegnungen mit den Menschen, insbesondere mit der Familie, bei der ich untergebracht war.» Die Menschen sind ihm ans Herz gewachsen. «Diese Gastfreundschaft hat mich tief beeindruckt. Ich habe in Uganda eine zweite Familie gewonnen.»

Ich habe in Uganda eine zweite Familie gewonnen.

Jene warmen Sommerabende, an denen der Strom wieder mal ausgefallen war und Reden die einzige verfügbare Unterhaltung bot, bleiben ihm in besonderer Erinnerung. «Es waren einfache Gespräche über die kleinen und grossen Dinge des Lebens. Das ist definitiv etwas, das wir auch hier wieder mehr pflegen sollten.» Der Austausch sei via Whatsapp & Co. immer noch rege. Ein künftiges Treffen der beiden Familien vor Ort schliesst Ganassi definitiv nicht aus.

Der Aufenthalt in Uganda bot Claudio Ganassi in vielerlei Hinsicht einen Perspektivenwechsel. Einer, von dem er auch nach seiner Rückkehr profitieren konnte. «Was die Menschen ausmacht, die ich kennenlernen durfte, ist ihr Blick fürs Wesentliche. Gerade wir in der Schweiz verlieren diesen gerne aus den Augen, während wir über kleinste und oftmals völlig unwesentliche Details streiten.» Mit mehr Gelassenheit und Dankbarkeit den Blick für das grosse Ganze schärfen – das ist es, was Claudio Ganassi letztlich von seiner Reise mitgenommen hat.

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