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12.12.2024 | Aktualisiert am 07.01.2025 | Lesezeit: 6min

1875: Unser Trinkwasser schreibt Geschichte

Vor 150 Jahren floss zum ersten Mal sauberes Trinkwasser durch die Leitungen der Stadt Luzern. Das hatte einen enormen Einfluss auf die soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Diese Geschichte erzählt von prekären Notlagen, harter Arbeit und starkem Pioniergeist.

  • Text Alain Brunner Medienverantwortlicher für Strom, Wasser, Unternehmen
  • Bilder ewl

Heute fliesst unser Trinkwasser frisch und wie durch Zauberhand aus dem Wasserhahn – selbstverständlich und jederzeit verfügbar. Doch hinter diesem Privileg steckt eine spannende Geschichte. Was war alles dazu nötig? Wir werfen einen Blick auf die faszinierende Entwicklung der Trinkwasserversorgung in Luzern.

Gefährliche Brunnen

Die Geschichte der Wasserversorgung ist untrennbar mit der Entwicklung der Stadt verbunden. Die ersten Siedler wussten, wie lebenswichtig Wasser war, und fanden ihre Quellen im See und in der Reuss. Doch bald reichten diese natürlichen Wasserquellen nicht mehr aus. Um die wachsende Bevölkerung zu versorgen, bauten sie Zisternen und Schachtbrunnen, aus denen das Wasser mühselig mit Eimern geschöpft wurde.

Diese Brunnen, die tief ins Erdreich reichten, boten zwar Zugang zum lebensnotwendigen Wasser, doch die Gefahr der Verschmutzung war gross. Das Wasser war Auslöser für schlimme Krankheiten und Epidemien. Also begannen die Luzernerinnen und Luzerner schon im Mittelalter, sich nach einer besseren Lösung umzusehen – der Wunsch nach reinem Quellwasser wurde immer dringlicher.

Wasser prägt unser Leben: unsere Gesundheit, unsere Wirtschaft und die städtische Infrastruktur.
Bis 1860 wurde das Trinkwasser durch ausgebohrte Eichenstämme (Dünkel) zu den Brunnen geleitet.

Arnold Bürkli: Eine Lösung muss her

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich ein Versorgungsnetz mit Grundwasser, Schachtbrunnen und Holzleitungen. Aber dieses Versorgungsnetz zeigte bald seine Grenzen. Die Holzleitungen konnten faulen und das Wasser verderben. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts begann deshalb die Stadt Luzern, die Holzleitungen durch Eisenrohre zu ersetzen.

Aufgrund einer fehlenden Kanalisation waren die Schachtbrunnen, welche nach wie vor von der Bevölkerung genutzt wurden, Verbreitungsherde für Krankheiten wie Typhus und führten gar zu Epidemien. Gleichzeitig florierte die Handels- und Wirtschaftsstadt Luzern. Eine wachsende Bevölkerung und die veränderten Lebensverhältnisse führten immer öfter zu Wassermangel. Ärzte forderten dringend sauberes Wasser für die Bevölkerung und der aufkommende Tourismus verlangte nach sauberem Wasser für die Gäste. Die Situation verlangte ein rasches Handeln. Im Auftrag der Stadt Luzern suchte der Wasserversorgungstechniker Arnold Bürkli Link öffnet in neuem Fenster.nach einer Lösung. Und schnell wurde klar, dass neue Quellgebiete erschlossen werden mussten.

Arnold Bürkli (hier: 1870) legt mit seinem Gutachten die Grundlagen für die moderne Wasserversorgung in Luzern.

Luzern gehörte zu den ersten

Das Gutachten des Wasserversorgungstechnikers Arnold Bürkli von 1872 hielt schliesslich fest: Das Eigenthal sei das einzig sinnvolle Quellgebiet, um diese wachsende Nachfrage zu decken. Aufgrund dieses Gutachtens sprach der Stadtrat die damals sehr hohe Summe von einer Million Franken. Bereits 1874 begannen die Bauarbeiten des Reservoirs im Sonnenberg und von insgesamt 36 Kilometer Leitungen. Das war ein historisches Pionierprojekt: Luzern gehörte zu den ersten Schweizer Städten, die eine solche Wasserversorgung aufgebaut hatten.

1874: Bau des Reservoirs Sonnenberg.

1875 floss dann erstmals Eigenthaler Quellwasser in die Gebäude der Stadt. Von den 16'400 Einwohnerinnen und Einwohnern hatten zu diesem Zeitpunkt rund die Hälfte einen gesicherten Wasserzugang im Haushalt. Die restliche Bevölkerung bezog das Wasser nach wie vor aus teilweise verunreinigten Brunnen. Und die tatsächlichen Kosten überstiegen den Voranschlag bei Weitem: Das Projekt hat schliesslich rund 1.75 Mio. Franken gekostet.

1889: Fassung der Bründlenquelle im Eigenthal.

Aller Anfang ist schwer

Am Anfang lief die Wasserversorgung nicht wie geplant. Der Betrieb machte grosse Verluste, weil die Kosten mit den Pauschalabrechnungen nicht gedeckt werden konnten. Noch schlimmer waren aber die Probleme im Konzept: Die Quellen lieferten viel weniger Wasser und waren unzuverlässiger, als die Experten vorhergesagt hatten. Das führte zu Verteilproblemen und besonders im Winter zu starkem Wassermangel.

Die Stadt reagierte darauf, indem sie die Wasserversorgung schrittweise ausbaute – vor allem in den ärmeren Vierteln – und neue Quellen bis ins Entlebuch erschloss. Um die Jahrhundertwende hatten etwa 90 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Luzern einen sicheren Wasseranschluss zu Hause. Trotzdem gab es weiterhin Probleme mit Wassermangel und Verteilung, wodurch auch Infektionskrankheiten länger ein Thema blieben. Die Stadt musste die Anlagen immer wieder erweitern, um mit dem wachsenden Bedarf der Bevölkerung Schritt zu halten.

Das zusätzliche Quellwasser reichte nicht aus, um die Versorgung sicherzustellen und auch die ärmeren Gebiete zu versorgen. Deshalb baute man nach der Jahrhundertwende das erste Grundwasserwerk. Im Tal der Kleinen Emme, zwischen Blatten und Littau, wurde Grundwasser gefördert und zum Reservoir Sonnenberg gepumpt. Diese Anlagen wurden in den folgenden Jahren weiter ausgebaut und sind bis heute in Betrieb.

Das Pumphaus des Grundwasserwerks Thorenberg wurde 1908 in Betrieb genommen.

Seewasser: Tod eines Vorurteils

In den folgenden Jahrzehnten prüfte die Stadt Luzern wegen des Bevölkerungswachstums und des steigenden Wasserverbrauchs pro Person weitere Möglichkeiten für die Wasserversorgung. Der Vierwaldstättersee als natürliches Reservoir lag nahe. Trotzdem wurde er lange nicht genutzt, obwohl es oft an Wasser mangelte. Der Grund dafür waren Vorurteile gegenüber Seewasser und der Mythos, dass nur Bergquellwasser wirklich rein sei.

Erst in den 1960er-Jahren erkannte man, dass die Nutzung des Seewassers die beste Lösung war – sowohl in Bezug auf Menge, Qualität als auch Kosten. Das Wasser aus dem Vierwaldstättersee erwies sich trotz aller Vorurteile als sehr sauber und gut geeignet. Deshalb baute die Stadt zwischen 1963 und 1966 das Seewasserwerk im Würzenbachgebiet.

Das Seewasserwerk Kreuzbuch versorgt Luzern bis heute mit Trinkwasser.

Die Geburtsstunde von ewl

In den 1960er-Jahren wurden zusätzliche Reservoirs auf dem Gütsch, dem Utenberg und in Kreuzbuch gebaut. Die Planung folgte einer symmetrischen Ausrichtung links und rechts der Reuss, um die Quartiere gleichmässig mit Wasser zu versorgen und den Druck im Leitungsnetz auszugleichen. Dabei wurden die Reservoirs Sonnenberg und Utenberg bewusst nicht höher als 585 Metern über Meer gebaut, da der Stadtrat eine Überbauung der Hügel vermeiden wollte.

Im Jahr 2001 übertrug die Stadt Luzern die Verantwortung für die Wasserversorgung an ewl, was die bis heute gültige Organisationsstruktur begründete. Die Kombination aus Quell-, Grund- und Seewasser sorgt bis heute für eine sichere und unabhängige Trinkwasserversorgung in der Stadt Luzern.

Nachhaltig aufbereitetes Quellwasser

ewl setzte die lange Tradition des Quellwassers fort und feierte mit der Eröffnung des Quellwasserwerks Sonnenberg im Jahr 2018 einen weiteren Meilenstein in der Luzerner Wasserversorgung.

Diese hochmoderne Anlage gehört zu den fortschrittlichsten Trinkwasseraufbereitungsanlagen weltweit. Hier wird Quellwasser aus dem Eigenthal und dem Entlebuch mit einem innovativen, chemiefreien Verfahren zu hochwertigem Trinkwasser aufbereitet. Das Werk ist darauf ausgelegt, täglich bis zu 30 Millionen Liter Wasser zu produzieren.

Der Strom für die Aufbereitung wird grösstenteils mit Wasserkraft produziert, die das Wasser beim Durchfliessen des Gefälles erzeugt. So gelangt heute frisches Trinkwasser, modern und nachhaltig aufbereitet in die Haushalte der Luzernerinnen und Luzerner.

Das Quellwasserwerk und Reservoir Sonnenberg wurde im Oktober 2018 eröffnet.

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